DER CHEF - PORTRAIT ALICE SCHWARZER

Am 3. Dezember 2002 wurde Alice Schwarzer 60. Und das war ihr gar nicht recht: Denn ihre Geschichte zeigt vor allem eins: Eine Frau mit überbordender Energie, unendlich viel Kraft und einem sicheren Machtinstinkt.

"Macht" – sagt Alice Schwarzer einmal – "ist nicht obszön. Sie ist unabdinglich, wenn man etwas verändern will." Ihr Lebensmotto: Eins rein, zwei zurück. Nicht alle können oder wollen soviel Energie aushalten. Dennoch ist es ihre selbstverständliche Radikalität, gepaart mit bissiger Ironie, mit der sie andere Menschen in ihren Bann zieht.

Seit Mitte der 60er Jahre ist die Geschichte Alice Schwarzers untrennbar mit der Geschichte zunächst der französischen, später der deutschen Frauenbewegung verknüpft, zu deren führendem Kopf sie wird. Alles beginnt 1971, als sie eine spektakuläre Aktion gegen den § 218 anzettelt: Am 6. Juni zeigt die deutsche Zeitschrift "STERN" die Gesichter von 24 prominenten Frauen mit der Schlagzeile: "Wir haben abgetrieben". Das lenkt das Augenmerk auf eines der zentralen Themen der jungen Feministinnen: Die Funktion von Sexualität bei der Entmündigung, Erniedrigung und Ausbeutung von Frauen. Ein hochemotional diskutiertes Thema. Alice Schwarzer spürt instinktiv, dass sie in der Rolle der Vorkämpferin für Frauenrechte zu einer öffentlichen Person wird und gewinnt Lust an der eigenen Macht.

Gleichzeitig schlägt das Establishment zurück: Seit sich die Männer im eigenen Schlafzimmer nicht mehr sicher fühlen, überschüttet man Schwarzer mit einer Häme, die in der brutalen Abwertung Alice Schwarzers als Frau beispiellos ist. "Jede andere", sagt sie, "wäre dabei draufgegangen". Sie nicht. Ihre vielen weiteren aufsehenerregenden Auftritte absolviert sie mit der Schlagfertiglkeit und dem Witz einer Talkmasterin.

Dieser Film von Birgit Schulz konfrontiert Alice Schwarzer mit ihren legendärsten Aktionen und Fernsehauftritten und zeigt die Überlebensstrategien einer äußerst kämpferischen Frau. Und manchmal gibt er in leisen Momenten den Blick frei für die Spuren, die Verletzungen in diesem Leben hinterlassen haben.

Im Auftrag von ARTE, 2002
45 Min. Dokumentation

Ein Film von: Birgit Schulz
Kamera: Andreas Fiegel, Sibylle Stürmer
Schnitt: Bettina Strunk
Maske: Sandra Stehmann
Ton: Till Butenschön
Tonmischung: White House
Redaktion: Sabine Rollberg


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