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DYNASTIEN IN NRW: ZWIEBACK-FABRIKANT BRANDT – DAS MÄRCHEN VOM BÄCKER UND SEINEM SOHN

Wer an seine Kindheit denkt, denkt auch an Zwieback. An den Geruch der geöffneten orangen Packung mit dem Kindergesicht, die Brösel, die im Bett pieken, das es bei einer Grippe zu hüten gilt, an das Eintauchen der Zwiebackscheiben in Milch oder Kakao... Ein schlichtes Produkt, das für einen Kosmos an Erinnerungen und Sinneseindrücke steht.

Alles begann mit einem Pferdefuhrwerk und dem eisernen Willen des 26-jährigen Bäcker- und Konditormeisters Carl Brandt, der 1912 in Hagen die "Märkische Zwieback- und Keksfabrik" gründete, um Zwieback und Biskuit für jedermann erschwinglich auf den Markt zu bringen. Der Zwieback wird im 20. Jahrhundert zum Klassiker der Baby- und Kleinkind-Ernährung. Auf die Fertigung per Handarbeit folgt 1929 die erste selbstentwickelte und patentierte Zwieback- Schneidemaschine. Während der 30er und 40er Jahre entwickelt sich der Zwieback zum Krisengebäck, auf der Zwieback-Tüte 1933 wird er sogar als "Ärztlich anerkannter beliebter deutscher Zwieback" angeboten.

Mit dem Wirtschaftswunder wächst das Unternehmen explosionsartig, was nicht zuletzt Betty Brandt zu verdanken ist, Carl Brandts zweiter Ehefrau. Sie ist eine echte "Patriarchin", ihr Regime im Betrieb ist streng, ihr soziales Engagement legendär.  Ihr Sohn Carl-Jürgen Brandt wird ihr Nachfolger und alleiniger Besitzer des Unternehmens.
Erst nach dem Tod der Mutter kann er die notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen und seine Vision von einem neuen modernen Werk umsetzen, was schließlich dazu führt, dass die Zwieback-Produktion im Jahr 2003, trotz aller Arbeitskämpfe und politischer Auseinandersetzungen zwischen den Ländern NRW und Thüringen, nach Ostdeutschland verlagert wird. Die Bevölkerung der Stadt Hagen ist geschockt.

Nach allen Widrigkeiten und Anfangsschwierigkeiten im ostdeuschen Ohrdruf ist aus der einstigen Hagener Bäckerei wieder ein Großunternehmen mit derzeit rund 1000 Mitarbeitern geworden. Inzwischen gehört auch Burger, der Hersteller des Kultknäckebrots aus der ehemaligen DDR, zum Brandt-Imperium. Geführt wird es von Carl-Jürgen Brandt, dem Sohn des Firmengründers.

Der Filmemacher Peter Scharf weiß, wovon er spricht, wenn er von der Geschichte und den Geschichten rund um das Unternehmen Brandt berichtet: Er ist in der Nähe des Zwieback-Werks aufgewachsen und hat, wie so viele Hagener, jeden Tag den süßen Duft der Produktionsstätten eingeatmet. Er besucht die alten und neuen Produktionsstätten, spricht mit Mitgliedern der Brandt-Familie, mit ehemaligen Arbeitern und einem von zwei Hagenern, die mit in den Osten gegangen sind – und mit dem "letzten Vertreter der vier Brandt-Kindergesichter", dessen Konterfei inzwischen zum Kult-Objekt avanciert ist und heute T-Shirts aus Designer-Boutiquen ziert.

Die Geschichte eines vollkommen einfachen, im Wortsinne trockenen Produkts, das sich seit über fast 100 Jahren erfolgreich am Markt behauptet - und das Porträt einer Industrie-Dynastie, deren Mitglieder sich durch alle Krisen hindurch immer mit ihrem Produkt identifiziert haben.

Im Auftrag des WDR, 2007
45 Min. Dokumentation

Ein Film von: Peter Scharf
Kamera: Oliver Vogt
Ton: Ute Haverkämper
Schnitt: Oliver Held
Producerin: Monika Mack
Produzentin: Sabine Müller
Redaktion: Christiane Hinz


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