DAS WAREN DIE GRÜNEN...

Die Halle ist sehr grün, die Delegierten strahlen, die Spitzenkandidaten winken und die enttäuschte Parteivorsitzende Claudia Roth wird mit Bonbons beworfen. Die Grünen Mitte November 2012 auf ihrem Parteitag in Hannover. Die Partei-Basis hat entschieden, mit wem sie in die kommende Bundestagswahl gehen will: Katrin Göring-Eckhardt und Jürgen Trittin. Alle Beobachter sehen eine Zeitenwende: Die Grünen sind jetzt bürgerlich, heißt es, sie sind in der Mitte angekommen, sie haben ein geklärtes Verhältnis zur Macht.

Als sie bei der Bundestagswahl vor 30 Jahren, am 06. März 1983, erstmals den Einzug in den Bundestag schafften, war das eine politische, mediale und kulturelle Sensation. Man hielt sie für eine schnell vorübergehende Erscheinung. Seit mehr als zwei Jahrzehnten hatte es bis dato nur drei Fraktionen im deutschen Parlament gegeben: CDU/CSU, SPD und FDP. Otto Schily, damals grüner Bundestagsabgeordneter, über diese Zeit: „Also wir waren eine Provokation. Ich kann mich noch erinnern an den Walter Schwenninger, das war so ein Hüne, der hatte einen langen Bart und einen peruanischen Pullover an und dann stand er da so. Das war für die Leute, die da mit Krawatte und grauen Anzügen saßen, schon irgendwie unbehaglich und man hat auch versucht, uns, ja wenn man so will, zu mobben.“

Angetreten waren diese neuen Grünen als eine abenteuerliche Mischung aus Kommunisten, Wertkonservativen, Feministinnen, Pazifisten, Anarchisten, Tierschützern. Was sie politisch wollten, darüber waren sie sich nicht wirklich einig. Abrüstung und sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie, das war der kleinste gemeinsame Nenner. Vor allem aber wollten sie das verkrustete Parteiensystem der alten Bundesrepublik aufbrechen und eine neue politische Kultur schaffen, geprägt von Toleranz und Solidarität, von Gleichberechtigung und Gewaltfreiheit.

Wie diese Politik verwirklicht werden sollte, mit wem und unter welchen Bedingungen, darüber wurde bei den Grünen von Anfang an öffentlich und oftmals vernichtend gestritten. Keine Partei hat sich so schwer damit getan, ihr Verhältnis zur Macht zu klären, keine Partei hat so ein gespaltenes Verhältnis zu ihren führenden Köpfen und hat dabei so viele Menschen verschlissen wie die Grünen.

Und: Keine andere Partei hat so viele ihrer Ideale geopfert. Ausgerechnet die Grünen haben die ersten Kriegseinsätze der Bundeswehr in der deutschen Nachkriegsgeschichte legitimiert, mussten einen Ausstieg aus der Kernenergie verhandeln, der sich auch an den Interessen der deutschen Atomlobby orientierte.

Was haben die Kompromisse gekostet? Was bleibt übrig von den Träumen und politischen Visionen auf dem Weg zur Macht? Und wie verändern sich die Menschen dabei?

Die Dokumentation „Das waren DIE GRÜNEN...“ erzählt von der unerfüllten Sehnsucht der Grünen nach Wahrhaftigkeit in der Politik. „Das waren DIE GRÜNEN...“ erzählt, wie aus Ideen Politik wird und wie sich dabei die Perspektiven verändern. Ein Film über die Psychologie der Macht.

In verblüffend aufrichtigen und bewegenden Interviews erinnern sich grüne Spitzenpolitiker von damals und heute an die Träume, die großen Kämpfe und politischen Widersprüche, an Karrieren und Schicksale bei den Grünen. Der Sprecher der ersten Bundestagsfraktion und spätere SPD-Innenminister Otto Schily, seine damalige Kollegin Marie-Luise Beck, sowie die Parteivorsitzende Claudia Roth, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, Jürgen Trittin, aktueller Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender, der bekannte Bundestagsabgeordnete Hans–Christian Stroebele und die ehemalige Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller beschreiben den Weg der Grünen zur Macht.

Als einziger parteiloser Zeitzeuge blickt Günter Bannas von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der seine Karriere als Beobachter der Grünen in den achtziger Jahren begann, auf die beispiellose Entwicklung dieser Partei.

Der ehemalige grüne Außenminister Joschka Fischer hat seine Teilnahme an dieser Dokumentation aus persönlichen Gründen abgelehnt. Auch seine erbitterte, politische Gegnerin Jutta Ditfurth stand für ein Interview nicht zur Verfügung.


Buch & Regie: Annette Zinkant
Kamera: Mathias Prause
Ton: Andrä Klaukien
Schnitt: Christian Becker, Julia Böhm, Martin Schomers
Tonmischung: Thomas Schwedes
Sprecherin: Hansi Jochmann
Recherche: Michael Gerloff, Bärbel Fixemer (WDR)
Musikkonzept: Henning Bornemann
Producer/in: Monika Mack, Rolf Bremenkamp
Produzentin: Birgit Schulz
Redaktion: Wolfgang Landgraeber, Britta Windhoff (WDR)

Eine Bildersturm Filmproduktion im Auftrag des WDR, 90 Min.


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